Der russisch-deutsche Autor Wladimir Kaminer hat im Laufe seiner Karriere annähernd vier Millionen Bücher und Hörbücher verkauft. Über Deutschland hinaus wurde er durch den Bestseller „Russendisko“ bekannt. Im August 2018 erschien sein aktueller Erzählband „Die Kreuzfahrer“ (WUNDERRAUM Verlag), mit dem Kaminer jetzt auf große Lesereise durch Deutschland geht. Mit Witz und Neugier erzählt der Wahlberliner darin von seinen Erlebnissen auf einem Kreuzfahrtschiff. Er ist der Reiseführer zum Mikrokosmos auf einer Kreuzfahrt, dem wir im Interview ein wenig näherkommen wollen.

Sie sind 1967 in der Sowjetunion geboren, haben in Moskau eine Toningenieur-Ausbildung absolviert und Dramaturgie studiert. Wo und wann haben Sie Deutsch gelernt, wie kam es dazu, dass Sie zunächst in die DDR, dann in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelten?

1990 ergab sich die Möglichkeit die Welt außerhalb der Sowjetunion kennenzulernen. Viele meiner Generation haben diese Möglichkeit genutzt. Zur Wendezeit in die DDR zu kommen war einfach, ich brauchte nur ein Zugticket von Moskau nach Ostberlin für 96 Rubel, nicht einmal ein Visum. Das war zu bewältigen. Die Wendezeit war sehr spannend und viele kreative Menschen aus Ost und West trafen dort aufeinander. Deutsch habe ich dann in einem Studiengang an der renomierten Humboldt-Universität gelernt. Es war hart, hat aber viel gebracht.

Sie leben in Berlin, sind mit einer Russin verheiratet und haben rasch als Kolumnist und Schriftsteller Erfolge in deutscher Sprache gefeiert. Ihre ersten Erzählbände „Militärmusik“ und „Russendisko“ haben sich millionenfach verkauft, sind thematisch mit Russland verknüpft, spätere Werke auch. Zudem gab es die Veranstaltungsreihe „Russendisko“ und dazugehörige CD´s. Haben Sie aufgrund ihrer Migration manchmal Heimweh nach Russland?

Nein, ich habe kein Heimweh. Wie viele andere Leute auch, habe ich in zwei Welten gelebt, in der Sojetunion und im wiedervereinigten Deutschland. Beides sind Teile von mir und keinen Teil möchte ich missen. Und ich schreibe auch viel über Deutschland.

2012 lief der Film „Russendisko“ mit Matthias Schweighöfer in den deutschen Kinos, basierend auf ihrem Kurzgeschichten-Band. Waren Sie am Drehbuch/an den Dreharbeiten beteiligt?

Am Drehbuch war ich nicht beteiligt. Für mich ist eine fremde Art Kunst zu machen. Aber ich war am Drehort, habe mit einem Freund eine Sekunden-Rolle gespielt (zwei polnische Mauerstein-Verkäufer) und meine beiden Kinder laufen durch das Bild als unbeteiligte Flohmarktbesucher. Ein bisschen Spaß muss sein.

Im gleichen Jahr haben Sie den Berliner Bär gewonnen, den B.Z.-Kulturpreis. Nicht ihr einzige Auszeichnung, was bedeuten diese für Sie?

Diese Preise haben keinerlei Bedeutung für mich. Meine Auszeichnung sind meine Leser, Leute die auf neue Geschichten warten. Das ist die höchste Auszeichnung die man als Schriftsteller bekommen kann.

Im August 2018 erschien das Buch „Die Kreuzfahrer“, ein Buch über ihre Erlebnisse auf einem Kreuzfahrtschiff. Damit kommen Sie im Januar auf Lesereise nach Saarbrücken. Nur eine Lesung, oder was erwartet die BesucherInnen?

Ich bin schon seit Monaten mit dem Buch unterwegs und die Erzählungen bleiben bis heute spannend. Und ich bin mir sicher, dass ich auch im Saarland auf Leute treffen werde, die auf einer Kreuzfahrt waren und viele meiner Erlebnisse teilen können. Sicher werde ich auch die ein oder andere unveröffentliche Geschichte im Gepäck haben und diese vorlesen. Die werden dann erst später, vielleicht in ein paar Jahren, erscheinen.

Wie wichtig sind Facebook und Twitter für Sie um im direkten Kontakt mit ihren Fans zu bleiben, sie betreiben ja auch einen Blog (http://blog.wladimirkaminer.de)?

Es ist eine unabdingbare Art der Kommunikation geworden. Natürlich gibt es da einen Unterschied zwischen der Privatperson und der Person des öffentlichen Lebens. Und ich möchte schon selbst den Kontakt zu den Fans halten, es nicht durch eine fremde Person machen lassen. Aber ´social media´ ist eine ständige Herausforderung.

Viele Kinder und Jugendliche haben heutzutage keinen Bezug mehr zu Büchern, haben sogar Leseprobleme. Immer mehr Initiativen kümmern sich um Leseförderung. Sind Sie z.B. bei kostenlosen Kinderlesungen oder ähnlichen Aktionen präsent?

Ja, ich mache einige Projekte mit Bibliotheken hinsichtlich Leseförderung. Auch mein Verlag ist da ganz aktiv. Ich bin da auch nicht so pessimistisch, die Jugend liest, aber eben im Internet. Es ist halt eine Online-Jugend.

Was liest der private Wladimir Kaminer gerne, wie verbringen Sie ihre Freizeit am liebsten?

Ich habe kürzlich ein Buch über die Weimarer Republik gelesen, da hatte ich eine Bildungslücke. Jetzt habe ich „Träumer – Als die Dichter die Macht übernahmen“ von Volker Weidermann angefangen. Ich bin gerne in der Natur, umgebe mich mit Pflanzen und habe 50 Hühner auf einem Hof in Brandenburg, um die ich mich kümmere.

Haben Sie schon konkrete Pläne bezüglich Ihrer Arbeit für das neue Jahr?

Ja, ich plane ein Buch über die Liebe, der Arbeitstitel ist „Liebeserklärungen“. Es geht darum, dass sich die Liebe in der Theorie und Praxis komplett voneinander unterscheidet.

Text: Frank Keil | Bild: PR, Sheila Jellison

www.wladimirkaminer.de

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